1.Mainzer Pädaudiologietag

 

Am 28.10.2011 fand der Mainzer Pädaudiologie-Tag unter dem Motto „Aus der Praxis – für die Praxis“ statt. Der BAA bot seinen Mitgliedern die Möglichkeit zur Teilnahme, zu einer ermäßigten Gebühr an von 40 €, statt 90 € an. Die Differenz hat der BAA übernommen. Im Anschluss an den Pädaudiologie-Tag fand die Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl statt.

 

Nach der Begrüßung durch Andrea Bohnert folgte eine sehr interessante Vortragsreihe. Der erste Vortrag von Frau Prof. Keilmann, beschäftigte sich mit dem Neugeborenenhörscreening (NHS) und dessen Follow-Up. Frau Professor Keilmann erläuterte, dass im NHS für so genannte „Well-Babys“ nur TEOAE oder eine automatisierte Ableitung der frühen akustischen evozierten Potentiale (AABR – Automatic Auditory Brainstem Response), jedoch bei auffälligen Kindern eine AABR gefordert werden. Auffällige Befunde im NHS erfordern eine pädaudiologische Bestätigunsdiagnostik, wobei die Durchführung einer Klick-BERA alleine nicht ausreichend ist. Ebenso erklärte Frau Prof. Keilmann, dass für die Diagnostik der auditorischen Synapto-/Neuropathie die Durchführung der subjektiven Audiometrie und deren Ergebnisse sehr wichtig (zusätzlich zur objektiven Audiometrie) sind.

 

Im Anschluss an den Vortrag von Frau Prof. Keilmann, erfolgte eine Einführung in die subjektive Audiometrie von Frau Bohnert, in deren Vortrag es hauptsächlich um die Reflex-/Verhaltens-/Beobachtungsaudiometrie ging. Frau Bohnert erklärte, dass es sich bis zum ersten Lebensjahr in der Regel um „Arbeitsdiagnosen“ handelt, so dass hier regelmäßige Kontrollen erforderlich sind. In Mainz handelt man nach dem Credo: innerhalb des ersten Lebensjahres alle paar Monate die komplette Diagnostik inklusive BERA durchzuführen. Erst nach dem ersten Lebensjahr erfolgt eine Diagnosestellung. Einsteckhörer als verwendete Messwandler bieten die Möglichkeit des Anschluss an die Otoplastik bei hörgeräteversorgten Kindern. Ein Überhören bei Verwendung von Einsteckhörern erfolgt erst ab ca. 60 dB, welches einen zusätzlichen Vorteil bietet, insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Vertäubung bei Babys nicht möglich ist.

 

Nach einer Kaffeepause stellte Herr Dr. Wiesner die Ablenkaudiometrie VRA (Visual Reinforcement Audiometry) und deren Anwendung im Werner-Otto-Institut Hamburg vor. Als Wandler können Freifeld, Kopfhörer, Einsteckhörer und KL-Hörer verwendet werden. Laut Dr. Wiesner hat in der Konditionierungs-Phase die Signal- und Startintensität des Reizes keinen Einfluss auf den Konditionierungserfolg oder die Antwortsicherheit. Er empfiehlt jedoch schwellennah zu starten, dabei wird jede korrekte Hinwendung zu Beginn belohnt, während später nicht jede korrekte Hinwendung belohnt werden muss. Dr. Wiesner empfiehlt als Alternative zum optischen Reiz mit/ohne Sound, z.B. Taktil-kinetische Reize (z.B. Air Puff; TROCA; Touch-Trainer) zum Einsatz bei blinden Kindern oder Kindern mit Down-Syndrom.

 

Anschließend stellt Frau Bohnert die Spielaudiometrie vor. Die Spielaudiometrie kann sowohl im Freifeld als auch über Einsteckkopfhörer, Luftleitungshörer oder Knochenleitungshörer durchgeführt werden. Frau Bohnert erklärt, dass es oft besser ist, weniger Frequenzen zu messen und sichere Ergebnisse zu haben, statt die Untersuchung bei vielen Frequenzen mit unsicheren Angaben durchzuführen. Fehlerquellen in der Spielaudiometrie sind eine mangelnde Erfahrung des Untersuchers, zu viel Ablenkung (im Untersuchungsraum, außerhalb des Untersuchungsraums) und mangelnde Beobachtung des Kindes oder des begleitenden Erwachsenen, z.B. hinsichtlich bewusster oder unbewusster Manipulation des Kindes. Zum Abschluss stellt Frau Bohnert das MAGIC-Gerät vor (MAGIC = Multiple-choice Auditory Graphic Interactive Check). Es handelt sich hierbei um ein Handheld-Device, welches eine Screening-Möglichkeit mit 4 Frequenzen: 500 Hz, 1 kHz, 2 kHz, 4 kHz bietet (es sind auch Messungen mit 8 Frequenzen möglich). Die Messung erfolgt durch ein adaptives Verfahren Eingablung) und ist ab dem 3,5 – 4 LJ einzusetzen. Möglichkeiten des Einsatzes sind z.B. bei Vorschulscreening, im Kindergarten (transportabel) oder bei Konsilen auf z.B. onkologischen Stationen. Es ist jedoch wichtig, dass der Untersucher den Test beaufsichtigt. Im Anschluss an den Vortrag von Frau Bohnert werden dem Teilnehmer Videoanalysen präsentiert mit der Möglichkeit zur Diskussion.

 

Nach der Mittagspause beschäftigt sich Frau Prof. Limberger mit der Sprachaudiometrie. Der Freiburger-Test dient bei der Durchführung mit Zahlen der Bestimmung der Sprachverständlichkeitsschwellen (Speech Reception Threshold, SRT). Im Einsilber-Test hat sich gezeigt hat, dass die Gruppen: 1, 8, 12, 14, 15, 19 und 20, schlechte Testgruppen sind und nach Möglichkeit nicht verwendet werden sollten. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Freiburger Einsilber nicht für eine Messung im Störgeräusch validiert sind. Der Mainzer Teil 1 eignet sich für Kinder mit 2,5 – 4 Lebensjahren, Teil 2 für das 4 – 6 Lebensjahr und Teil 3 für 6 – 8 Lebensjahr, da er für diese Lebensalter validiert ist. Die Aufsprache erfolgte durch eine Frau, da die Bezugsperson für Kinder in diesem Lebensalter meist die Mutter ist. Beim Göttinger-Test, sind Teil 1 für das 3 – 4 Lebensjahr und Teil 2 für das 5-6- Lebensjahr validiert. Im Anschluss daran beschäftigt sich Frau Prof. Limberger mit dem OLKI (Oldenburger Kinderreimtest), dem OLSA und dem verkürzten OLSA. Der OLKI ist für Kinder im Grundschulalter geeignet und verwendet zweisilbige Wörter die sich in nur einem Laut unterscheiden. Er besteht aus einer Liste mit 12 Wörtern, wobei sich die Listen im Anlaut, im Inlaut Konsonant und im Inlaut Vokal unterscheiden. Frau Prof. Limberger erklärt, dass durch die Steigung der Verstehensquote von 6% der Test eigentlich nicht optimal für Messungen im Störgeräusch geeignet ist, jedoch für den Einsatz im Störgeräusch validiert ist. Sie empfiehlt, dass sich eher auf die Beurteilung des SRT konzentriert werden sollte. Zum OLSA erklärt Frau Prof. Limburger, dass er der Ermittlung der Sprachverständlichkeitsschwelle (SVS) im Störgeräusch (Sprachverstehens-schwelle) mittels eines adaptiven Verfahrens dient. Es besteht die Möglichkeit, dass das Störgeräusch fest eingestellt und ein variierender Sprachpegel verwendet wird oder die feste Einstellung des Sprachpegels und eines variierenden Störgeräusches möglich ist. Eine Verbesserung des Signal-Rausch-Abstands (SNR) von 1 dB hat eine Verbesserung des Verstehens um 17% zur Folge, so dass es zu einer erheblichen Verbesserung durch Trainingseffekte kommt, daher ist dir Durchführung mindestens einer Übungsreihe notwendig. Ein Ergebnis von -5dB heißt, dass das Störgeräusch 5 dB lauter ist, als der Nutzschall. Der verkürzte OLSA (früher: Oldenburger Kindersatztest, OlKiSa) kommt so Frau Prof. Limberger auch zunehmend im Erwachsenenbereich zum Einsatz, da beim älteren Patienten die Merkspanne nachlässt. Er besteht aus 10 Testlisten mit je 14 Phrasen, z.B. 5 nasse Messer und ist auch als geschlossener Test durchführbar (über Liste oder Bildschirm). Zum Abschluss erklärt Frau Prof. Limberger, dass der Würzburger Kindersprachtest sich in der Routine nicht durchgesetzt hat.

 

Im Vortrag Sprachaudiometrie von Dr. Wiesner bezieht er sich auf die Durchführung in der Praxis. Er verweist auf die Wichtigkeit von Vermerken auf den Audiogrammen hinsichtlich der Durchführung (mit oder ohne Bildmaterial, etc.) und bei Verwendung eines Störgeräusches, der Vermerk welches Störgeräusch verwendet wurde. Bezüglich der Störgeräusche erklärt Dr. Wiesner, dass ein unterbrochenes Störgeräusch für die Überprüfung von Hörgerätealgorythmen weniger geeignet ist und ein Störgeräusch sowohl eine physikalische, als auch eine psychologische Komponente (z.B. nervend) hat. Die Auswahl des Störgeräusches ist für das Ergebnis entscheidend. Dr. Wiesner weist darauf hin, dass Messungen im Störgeräusch nur bei bekannter Lautsprecheranordnung beurteilbar sind, wobei die Situation S0N0 wenig abhängig von der Raumakustik ist, es sich hier jedoch nur um ein Figur-Grund-Hören handelt (kein Richtungshören).

 

Nach einer Kaffeepause stellt Frau Leonhard zum Abschluss des Mainzer Pädaudiologie-Tages komplizierte Fälle und Fallbeispiele vor. Hier ergab sich die Möglichkeit zur Diskussion unter den Teilnehmern.

 

Claudia Rössing